Tomas SAKALAUSKAS
DIE EICHE DES MAÞVYDAS
Punkte der Lesungen über das erste litauische Buch
Wenn ich vor dem von Bildhauer A. Bosas geschaffenen "Martynas Maþvydas" stehe, empfinde ich immer den Eindruck, es scheint, dass der von irgendwoher hergeeilte Steinmensch überspringt mich und hastet weiter. Als ob ich ihm den Weg abgesperrt hätte. In den Händen hält er fest das BUCH , er trägt es ehrfurchtsvoll, gleich einer Monstranz, worin das Sakrament der Muttersprache aufbewahrt wird; er blickt zurück auf den zurückgelegten Weg, in die Ferne, woher er das teuere Gepäck befördert, und die schnellen Beine eilen vorwärts in die unbekannten Weiten.
Das ist der Sprung des BUCHES aus den Wurzeln in die Äste. Ich wende mich nach Martynas Maþvydas um, nach seinem 450 Jahre alten BUCH.
Woher ist es? Wie ist es? Was bedeutet es für uns?
Tomas Sakalauskas
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Die Worte von
Maþvydas über die Eiche (aus dem ersten Teil
des Dramas "Maþvydas" von Just. Marcinkevièius)
ein 19-Sekunden-Auszug
in Ausführung der Schauspieler des
"Vaidila"-Theaters
WURZELN
Der lebendige Baum des litauischen Buches erhebt sich aus den tiefsten Wurzeln. Eine
davon reicht sogar bis zum Ende des 14. Jhs. Sie führt uns nach England, in die Stadt der
Wissenschaften Oxford. Hier, in verlorener Zeit, entdecken wir eine bemerkenswerte
Persönlichkeit, das ist der Theologe, Professor der Universität, John Wyclif (um 1320 – 1384). Er ist einer der
ersten Reformierten der römischen Kirche, dessen Ideen später der Tscheche Jan Hus und der Deutsche Martin Luther
übernommen und verbreitet haben.
Die verkündete Nachricht der Reformation verbreitete sich nach Osten durch die Treppen
der Jahrhunderte, über Prag, über Wittenberg, näherte sie sich dem Großfürstentum
Litauen.
J.Wyclif hat die größte Aufmerksamkeit der Heiligen Schrift geschenkt, der einzigen
Quelle des Glaubens, und forderte, dass sie den Menschen übergeben werde, weil sie das
Buch des Lebens ist, Glauben des Christi, die Wahrheit und das unfehlbare Gesetz. Die
erste Pflicht der Geistlichen ist, den Sinn der Heiligen Schrift zu erklären. J.Wyclif
lehrte, dass jeder Christ - für uns ist es sehr wichtig es zu betonen und zu behalten - die
Heilige Schrft in der Muttersprache besitzen soll, damit er Christus folgen
könnte. J.Wyclif hat die Bibel in die englische Sprache übersetzt.
Der Einfluss des Reformators der Kirche hat so vorausbestimmt, dass in England die
religiöse Lollardengemeinschaft gegründet wurde, die sich der übersetzten Heiligen
Schrift in der englischen Sprache bediente.
Die Lehre von J.Wyclif hat sich in England nicht lange verbreitet. Seine Schriften wurden
verbrannt, 1377 erklärte die Obrigkeit der Kirche ihn als Ketzer und verdammte ihn. Doch
der von J. Wyclif geschlagene Funke erlosch nicht, er ging nach Tschechien über,
entflammte dort und verbreitete sich über die Länder Europas.
Einer der berühmtesten Nachfolger von J. Wyclif im 15. Jh. war
ein Professor der Universität Prag, Prediger Jan Hus
(1371 – 1415). Ihn haben die Schriften des Engländers außerordentlich berührt,
weil er dort den großen Menschen gefunden hatte, den tapferen, heiligen, der klar
angewiesen hatte, dass der einzige Ausweg aus dem damaligen kirchlichen Chaos die durch
die Heilige Schrift gestützte Reform ist. Über seinen Lehrer hat J. Hus gesagt: "Zu Wyclif zieht mich der
Ruhm, den ihm die nicht verdorbenen Priester der Universität Oxford sowie andere Menschen
zuerkennen. Mich locken seine Schriften, wodurch er, wieviel seine Kräfte erlauben, die
Menschen zu Gebot Christi zu führen strebt, und zuallererst die Geistlichen auffordert
den Flitter der weltlichen Macht zu lassen und nach dem Vorbild der Apostel sowie den
Geboten Christi zu leben.".
J.Hus ist weiter geschritten als der englische Reformator. Er forderte, die Kirche
wesentlich zu reformieren, verurteilte ihren Reichtum, ihren Ablasshandel und verkündete,
dass man die Macht nur, den "Geboten Gottes" befolgend, benutzen kann. Er
forderte, darauf lenken wir wieder die Aufmerksamkeit des Lesers, den Gottesdienst
in der tschechischen Muttersprache zu halten. Und das bedeutete, dass die
religiösen Bücher in dieser Sprache geschrieben werden sollten. Er predigte in der
tschechischen Sprache.
"Ich beteuere", verkündete der Prediger, "dass mein Ziel ist, die Wahrheit zu verteidigen, besonders die
Wahrheit der Heiligen Schrift, die ich bis zum Tod verteidigen werde, weil ich den Preis
der Wahrheit weiß. Die Wahrheit ist das Mächtigste und Ewige. Sie gewinnt."
J. Hus hielt fest an seinen Überzeugungen, und er war sicher, dass er seine Gegner im
Falle einer offenen Diskussion gewinnen wird .
Doch die Gegner haben nicht diskutiert, sie haben angegriffen. 1410 wurde J. Hus von der
Kirche getrennt. 1414 wurde er in die Kirchenversammlung nach Konstanz vorgeladen und
gerichtet. Der Urteilsspruch lautete: "1. Die Bücher von Hus verbrennen, die in
Lateinisch und in Tschechisch geschrieben sind. 2. Hus als Ketzer erklären. (...) Trotz
dass die Heilige Tagung kurz zuvor die Fehler der Lehre von Wyclif, des Menschen mit
verdammtem Gedächtnis, verurteilt hatte, verbreitete Jan Hus, der Schüler nicht Christi,
sondern des Ketzers John Wyclif, mit seinen Büchern und mit
seinen Predigten die Ketzerei."
J.Hus wird verurteilt zum Tod auf dem Feuer.
Vor der Vollstreckung des Urteilsspruchs wurde J. Hus vorgeschlagen, sich von seiner Lehre
loszusagen, aber er sagte: "Für dieselbe evangelische
Wahrheit, die ich gelehrt habe und die ich verkünde, bin ich bereit, heute zu
sterben."
Dieser, der zu sterben keine Angst hat - das hat die Geschichte nicht einmal bestätigt -,
ist unbesiegbar. Die Wahrheit der großen Menschen, ebenso wie die Handschriften der
Bücher, brennen in den Flammen der Feuer nicht nieder.
Die Ideen von J. Wyclif und J. Hus haben
Deutschland im 16. Jh. erreicht. Der Verbreiter der Reformation in den deutschen Ländern
war der Professor der Universität Wittenberg, der ehemalige Mönch Martin
Luther (1483 – 1546). 1517 veröffentlichte er die berühmten 95 Thesen,
worin er seine religiöse Doktrin auslegte. Die Erlösung kommt nicht durch Gebete, das
Fasten, den Besuch der heiligen Stätten, das Opfern, nicht durch die Sakramente und
Ritten, sondern durch die Aufrichtigkeit des Glaubens; die Kirche und die Geistlichen, als
die Vermittler zwischen dem Menschen und Gott, sind entbehrlich; die Quelle der
religiösen Wahrheiten sei nur die Heilige Schrift und nicht die heilige Tradition.
Am Anfang schien es, dass die sich verbreitende Welle der Reformation nur die Fortsetzung
des Kampfes innerhalb der Kirche ist; dass die Professoren der Theologie der
Universitäten beim Anblick der Krisis der Kirche sie mit Hilfe der Reformen zu beseitigen
strebten. Doch die Thesen von M. Luther sagten, dass es nicht die innere Uneinigkeit des
eigenen Hauses ist; das Haus des Katholizismus ist zuviel zerfallen, deshalb braucht man
es nicht wiederaufzubauen, sondern man muß ein neues Haus bauen, eine neue Kirche.
Die Thesen von M. Luther waren der mächtige Antrieb für alle Oppositionskräfte Europas,
sich gegen den römischen Papst und die katholische Kirche zu vereinigen und für die
religiöse und nationale Freiheit Deutschlands kämpfen.
Selbstverständlich wurde M. Luther, ebenso wie seine Vorgänger, verdammt. Er wurde der
Ketzerei beschuldigt, vor Gericht in Rom geladen (er weigerte sich zu kommen), von Papst
Leo X. wurde er exkommuniziert und seine Bulle "Exsurge Domine", "Herr,
erstehe auf", wurde im Hof der Universität Wittenberg verbrannt.
Der vom Papst verdammte und vom Kaiser verfolgte M. Luther versteckte sich auf der
Wartburg, wo er 1521-1522 die Bibel (herausgegeben 1534) in die deutsche Sprache
übersetzte. Die Bibel von M. Luther ist das Ereignis von außerordentlicher Bedeutung,
das den Umschwung in der Denkweise der Menschen gemacht hatte. Sie ist die Grundlage des
deutschen nationalen Schrifttums. Seit dieser Zeit beginnen sich das nationale Bewusstsein
und Selbstbewusstsein zu formieren. Ohne M. Luther ist auch das Erscheinen des ersten
litauischen Buches unvorstellbar: Luther forderte, dass alle Menschen die religiösen
Schriften lesen könnten, weil früher die Bücher nur in der lateinischen Sprache
herausgegeben wurden.
Die Mauern der Wartburg haben die Verbreitung der Reformation nicht gehemmt. Die Lehre von
Martin Luther, von seinem Glaubensgenossen Philip Melanchthon verbreitete sich und bezog
immer mehr Menschen ein. Sie wurde zur neuen Richtung des Christentums, zum lutherischen
Protestantismus.
Die neuen Ideen haben auch das Großfürstentum Litauen erreicht. Davon spricht die
folgende Nachricht: Anfang des 16. Jhs. studierten zwei Litauer, Abraomas
Kulvietis und Stanislovas Rapolionis, bei M. Luther und P.
Melanchthon an der Wittenberger Universität. Widerhall der großen Reformatoren aus
Wittenberg finden wir auch im ersten litauischen Buch, im "Katechismus" von Martynas Maþvydas,
wo "Giesme apie svëtastá (Komunijà)" ("Lied vom Abendmal") von M.
Luther gedruckt wurde.
Also kommt Anfang des 16. Jhs. die Reformation in unsere Länder. Was bringt sie? Wie
kommt es zur Geburt des ersten litauischen Buches?
Bevor wir zu den Ländern des Großfürstentums Litauen übergehen, müssen wir uns kurz in Königsberg aufhalten und ein paar Worte über den preußischen Herzog Albrecht sagen.
Albrecht von
Brandenburg (1490 – 1568) gehörte väterlicherseits zu den Hohenzollern,
einer hohen deutschen Feudal-Dynastie, und mütterlicherseits war er der Schwestersohn des
Alten Sigismund und der Vetter des Sigismund Augustus. Nach dem verlorenen Krieg des
Ordens mit Polen 1519 war er politisch der Vasall des Alten Sigismund. 1525 hatte
Albrecht, der letzte Große Magister, den Kreuzritterorden aufgelöst und im Territorium
des ehemaligen Ordens gründete er das weltliche Herzogtum Preußen und wurde selbst zum
ersten Herzog Preußens. In demselben Jahr nahm Albrecht zusammen mit vielen Rittern des
Ordens den Glauben von M. Luther an, und Lutheranismus hat er zur Staatsreligion erklärt.
Bald begannen sich die lutherischen Ideen auch in Litauen zu verbreiten. Mit dem
Verbreiten der protestantischen Ideen hoffte Albrecht auf das ruhige Hinterland in
Litauen. Er war bestrebt, alle berühmteren Anhänger von Luther in Preußen zu sammeln.
Er unterstützte die Reformation in Litauen und Polen, gab den von dort verbannten
Verbreitern der Reformation Unterkunft. Die in Preußen lebenden Litauern und Polen
durften selbst neu gegründete Gemeinden und Schulen haben. Außerdem gab er Mittel zum
Druck ihrer Bücher. Mit Hilfe des Luthertums strebte er danach, seinen Einfluß in
Litauen und in Polen zu vergrößern.
1545 wurde der erste Katechismus in der preußischen Sprache in Königsberg auf Kosten des
Herzogs gedruckt.
Es ist sehr wichtig zu sagen, daß Albrecht seit 1529 gute Verhältnisse mit dem
Bürgermeister in Vilnius, Albertas Goðtautas, hatte.
Der preußische Herzog gründete 1542 in Königsberg ein Partikular, eine teilweise
Hochschule, die 1544 zu Universität wurde.
Die Zeit des Erscheinens des litauischen Buches nähert sich. Am Vorabend tritt der
Bürgermeister von Vilnius, Albertas Goðtautas (etwa
1480 – 1539), hervor. Er ist einer der wenigen Adligen Litauens, die sich um das
kulturelle Schicksal des Landes kümmerten. A.Goðtautas leitete die Zusammenstellung des
ersten Statuts Litauens (1529). Mit seinem Namen soll man die "Breitere
Zusammenfassung der Annalen" Litauens und ihrer einzelnen Varianten, die Chronik von
A.Bichovz genannt wird, verbinden. Sowohl im Statut als auch in den Annalen, wie die
Forscher dieser Denkmäler des Schrifttums behaupten, ist der slawische Text mit der
litauischen Sprache durchsetzt. "Der Text des ersten
Statuts Litauens, die Konstruktion seiner Sätze zeigen, dass während der Bildung dieses
Gesetzbuches auf litauisch gesprochen und gedacht werden könnte."( E.
Gudavièius).
A. Goðtautas zeichnete sich durch die Selbständigkeit seiner politischen Tätigkeit aus;
er schmeichelte nicht der Herrschaft Polens. Unter dem Einfluss der Ideen der Reformation
kümmerte er sich um die Angelegenheiten der litauischen Kultur. (Die Adligen Goðtautai
sollen die litauische Sprache aufbewahrt haben, ebenso wie das Geschlecht der Fürsten
Giedraièiai sie aufbewahrt hatte.) A. Goðtautas hatte schon 1510 eine persönliche
Bibliothek, bestehend aus 71 Bänden. Es gab jedoch keine litauischen Bücher. Ohne
Zweifel wusste A. Goðtautas, dass 1513 in Krakau das erste polnische Buch erschienen ist,
das Gebetbuch "Paradies der Seele", ebenso, dass der weißrussische Verleger P.
Skaryna in Vilnius 1522-1525 zwei slawische Bücher herausgegeben hatte.
"Und wodurch sind wir schlimmer?" erhebte sich die Frage. Diese Tendenzen haben
die Gleichgesinnten gesammelt. Die Historiker S. Lazutka und E. Gudavièius machen eine
für uns sehr wichtige Schlussfolgerung: "Man muß von der
Tätigkeit des kulturellen (und wenn wir wollen auch literarischen) Kreises von
A.Goðtautas in den zwanziger und dreißiger Jahren des 16. Jhs. sprechen".
Wir näher uns der verhängnisvollen Grenze. "Wir wagen zu
vermuten", schlussfolgert der Forscher der altertümlichen litauischen
Literatur A. Jovaiðas, "daß im kulturellen Programm des
Kreises A.Goðtautas, wo sich die Ideen der Renaissance und des Humanismus konzentrieren,
auch die Herausgabe der litauischen Bücher vorgesehen sein sollte."
Also die Idee des ersten litauischen Buches entstand in Vilnius, in der
Umgebung der Humanisten, die mit A. Goðtautas zusammen gearbeitet hatten. "Zu dieser Zeit begann man die litauische Sprache an die
Oberfläche des kulturellen Lebens zu heben. Und nur deshalb, weil ein Teil dieser
Humanisten bald in das Lager des Luthertums überging, verschmilzt das weitere Entstehen
des litauischen Buches mit der Bewegung der Reformation" (A. Jovaiðas).
Die Idee entstand. Jetzt braucht man die gebildeten Leute, die sie verwirklichen könnten.
A. Goðtautas richtet seine Augen auf seinen Schützling Abraomas
Kulvietis. Doch in Vilnius fühlt er sich zu dieser Arbeit nicht leistungsfähig. Mit
dem Empfehlungsbrief von A.Goðtautas an Albrecht fährt er
nach Königsberg. Der preußische Herzog rät ihm, in Wittenberg zu studieren, wo in
dieser Zeit M. Luther und P. Melanchthon lehrten.
1535 kehrte Abraomas Kulvietis (um 1510-1545) mit
einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung nach Litauen zurück. Zu dieser Zeit, wie V.
Birþiðka vermutet, "wurde er zum katholischen Priester geweiht, weil er damals
schon 24 Jahre als war, was als Voraussetzung galt." Er predigte in der Kirche der
Heiligen Anna. Er verkündete die mitgebrachten protestantischen Ideen; eine davon war die Forderung, die
religiöse Bildung in der Muttersprache zu entwickeln.
"Zu dieser Zeit war das kulturelle Leben in der Hauptstadt Litauens sehr rege. Es gab
Menschen im Lande, die verstanden, dass Studien im Ausland nicht ausreichten, dass Litauen
eigene Schulen braucht. Deshalb kam man auf den Gedanken, eine höhere Schule (Kollegium)
zu gründen, die die Jugend für die weitere Studien an den ausländischen Universitäten
vorbereiten würde. Jurgis Zablockis (um 1510 – 1563) nahm sich der Organisierung
der Schule an. Doch sein Gesuch, solch eine Schule zu gründen, wurde abgelehnt." (B.
Genzelis). Man muss auch sagen, dass A. Kulvietis zu einem sehr günstigen Zeitpunkt
zurückgekehrt war, weil damals in Vilnius der junge Großfürst Litauens, Sigismund
Augustus, und seine Mutter, Königin Bonna, lebten.
Die Königin unterstützte und führte den zurückgekehrten Mann der Wissenschaft, der
hier schon bekannt war und von vielen erwartet wurde. Litauen hatte in dieser Zeit noch
nicht so ausgebildete Leute. Deshalb haben ihm seine Freunde noch vor seiner Ankunft die
Stelle des Leiters der geplanten Schule angeboten.
Doch das Wichtigste ist, wie der Historiker E.Gudavièius behauptet, "A. Kulvietis selbst verstand, dass die Zeit kam, eine Schule mit
europäischem Niveau in Litauen zu gründen. Wegen der Investitionen wandte er sich an die
Königin Bonna. A. Kulvietis verstand auch, dass in dieser Schule Litauisch die
Unterrichtssprache sein soll. Litauen wurde polnisch, und die litauische
Intelligenz war zu entwickeln. 1539 hat er diese Schule geschaffen. A. Kulvietis hatte
gewiss Helfer, doch er war der einzige (bis jetzt sind andere nicht bekannt), der die
kulturelle Situation Litauens in dieser Zeit verstand und sich der Verwirklichung der Idee
seiner Schule annahm. Das ist eine Genies Idee."
Im Kollegium von A. Kulvietis lehrten seine Kollegen Stanislovas Rapolionis
und Jurgis Zablockis. Für diese Adligen Litauens war die litauische Sprache Muttersprache
und die polnische eine Fremdsprache. Sie hatten die Idee, das Schrifttum in
litauischer Sprache zu schaffen, zur Reife gebracht. Dann sollten A. Kulvietis und seine
Gleichgesinnten für die Vorbereitung der litauischen Übersetzungen sorgen und über
das litauische Buch nachdenken. Hier in der Schule von A. Kulvietis wurde es
begonnen.
Im Kollegium studierten ca. 60 junge Männer. Die Forscher nehmen an, dass diese Schule
auch Martynas Maþvydas besucht hatte. Doch es begannen Auseinandersetzungen. Bischof
Alðëniðkis aus Vilnius klagte A. Kulvietis bei Sigismund dem Alten wegen der
Verbreitung des Luthertums an. Die Gelegenheit war besonders günstig. 1542 reiste Bonna
für kurze Zeit nach Italien, und Goðtautas starb noch 1539.
Der König verkündete zusammen mit den Mitgliedern des Herrschaftsrates in Vilnius einen
Sondererlass gegen A.Kulvietis: "... Litauer Abraomas aus
Kulva, unser Untertan, fällt von der Heiligen Römischen katholischen Kirche ab, weil er
andere beeinflusste durch die Verirrung seiner neuen Lehren". Falls er von den Gerichtsbeamten "nicht
gefunden würde oder sich versteckte und deshalb nicht vor Gericht zu bringen wäre, dann
wollen wir, dass verkündigt werde in allen unseren Staaten (...), dass ihm der Bann
angedroht werde und sein gesamtes Vermögen (...) beschlagnahmt würde."
Die Schule wird geschlossen. A. Kulvietis und seine Kollegen mussten aus
Vilnius fliehen. Herzog Albrecht hat sie in Königsberg
beherbergt.
1543 schickt A. Kulvietis aus Königsberg der Königin Bonna
folgenden Brief. "Gnädige Frau, zu Zeiten unserer
Vorfahren war nie zu hören, dass jemand, der kein Vergehen begangen hatte ohne
Gerichtsentscheid verdammt wurde. Und meine Gegner haben mich nicht nur verdammt, sondern
auch verleumdet, verspottet, beschimpft und geschmäht, Tag für Tag während der
Predigten. (...) Es gibt mehrere Litauer, Untergebene Ihrer Hochheit, die hoch gebildet
sind und die nützlich für den Staat sein könnten. Aber durch mein Schicksal
eingeschüchtert haben sie sich in Deutschland niedergelassen. Manche von ihnen hat der
Heiligste Herzog Preußens (...) beherbergt. Der Heilige Herzog hat, ohne erhebliche
Kosten gescheut zu haben, die herrliche Schule gegründet und die gebildeten Menschen von
überall eingeladen (...) Er will mich zum Rektor dieser Schule ernennen. Deshalb, wenn in
der Herrschaft Ihrer Hochheit ich keinen Platz haben werde, nehme ich diese Ernennung an.
Aber, Gnädige Frau, es tut weh, für uns alle, dass wir für die Unseren zu arbeiten
trachten und für die Fremden arbeiten sollen".
Albrecht hat A. Kulvietis in die Arbeit der
Gründung der Universität einbezogen. 1544 wurde er zum Professor für griechische
Sprache ernannt.
An der Universität Königsberg war auch Stanislovas Rapolionis
(um 1500 – 1545) als Professor tätig. Er bekam den am besten bezahlten Lehrstuhl
für Theologie.
Die Zeitgenossen haben auf S. Rapolionis und A. Kulvietis, die berühmten Professoren,
voller Hoffnung geschaut und glaubten, dass sie als erste für die Bildung der Litauer
sorgen sollen. Es besteht kein Zweifel, dass es ihnen beschieden war, das erste litauische
Buch zu schreiben. "Falls sie nicht ein früher Tod ereilt
hätte, wäre zweifellos ihnen die Ehre, Autoren des ersten litauischen Buches zu sein,
zuteil geworden" (A. Jovaiðas).
Und dann steigt der Name Martynas Maþvydas auf. "Maþvydas
ist ein bedeutender Mensch", - behauptet der
Historiker A.Bumblauskas, "doch er sitzt auf den
noch bedeutenderen Rücken von Kulvietis und Rapolionis. Wäre denn Maþvydas heute so
berühmt, wenn diese so früh nicht gestorben wären?"
Nicht zufällig sind die Kulturwerte sind Ergebnis der Arbeit nur eines
Menschen. Die einzelnen Menschen werden zu Verkündern der gereiften Ideen. Zu solchem
Menschen in der Geschichte des Buches Litauens ist Martynas Maþvydas geworden.
STAMM
1.
Im Drama "Maþvydas" von Justinas Marcinkevièius gibt es folgenden Gesang:
O kad jis Vilniuj gyveno
Ir tikrà Dievà paþino,
Skleisdamas ðviesà,
Aiðkino tiesà.
Dass er in Vilnius gelebt hat
Und echten Gott gekannt hat
Strahlend das Licht
Erklärte die Wahrheit
Su Kulviðkiu Abraomu,
Abu ið vieno eidami
Kalbëjo rodþiai
Ðvietë jø þodþiai
Didþiu pamaldumu.
Mit Abraham Kulvensis
Beide einstimmig
Deutlich geredet haben
Ihre Worte geleuchtet haben
Mit großer Frömmigkeit
Èia Vilniaus vyskupas ðoko,
Kad Maþvydas kitaip moko:
Muðë ir dauþë,
Sànarius lauþë
Temnyèion ábruko.
Hier raffte sich der Vilniuser Bischof auf
Dass Maþvydas anders lehrt:
Hat ihn geschlagen,
Die Knochen gebrochen,
In den Kerker geworfen
Kentëjo kûnu ir dvasia,
Kaip Kristus þydø rankose.
Mirë ið bado,
Kol atsirado
Liuosas Þemaièiuose.
Er litt mit Leib und Seele
Wie Christus in Händen der Juden
Starb vor Hunger
Bis er geriet
Frei in Schamaiten.
Just. Marcinkevièius. “Maþvydas”(Auszüge aus dem ersten Teil des Dramas). In der Aufführung der Schauspieler des “Vaidila”-Theaters.
Die Worte von
Maþvydas über die Eiche
ein 19-Sekunden-Auszug
"Als
in Ragnit ankamen..."(Chor der Spitellleute aus dem ersten Prolog)
ein 1-Minuten-6-Sekunden-Auszug
Gesang bringt uns in die Zeiten in Vilnius, als M. Maþvydas während des Studiums
an der Schule von A.Kulvietis (oder, wie manche vermuten, hat er
auch dort gearbeitet) für die lutherische Tätigkeit, ebenso wie seine gleichgesinnten
Kollegen, verfolgt und sogar eingesperrt wurde. Davon zeugt auch Maþvydas selbst, weil er
1548 einen Brief an den Rektor der Universität Königsberg, J. Brettschneider (Plakoton),
unterzeichnete, indem er den Familiennamen mit "Protomartyr dictus", d.h.
"genannt der erste Märtyrer" ergänzt hatte. 1542, nachdem Kollegium
geschlossen wurde, musste er aus Vilnius fliehen, bis er "frei in Schamaiten
wurde".
Nicht zufällig ist er in diese Länder gezogen: Martynas Maþvydas (um 1520 –
1563) ist "irgendwo im Raum der Schamaiten-Mundart" (Z. Zinkevièius) geboren, wahrscheinlich im
heutigen Gebiet Ðilutë. Also war er ein Schamaite [Niederlitauer].
Aus Vilnius weggegangen, konnte er Unterkunft in Butkiðkë finden, bei der Mutter des A.
Kulvietis, oder im Hof des den Lutheranen wohlgesonnenen schamaitischen Schulzen
J.Bilevièius. (Er soll auch eine erste Ausbildung im Hof dieses Adligen und Beschützers
der Jugend in Viduklë bekommen haben.)
2.
Sigismund Augustus erhielt 1544 aus den Händen seines Vaters, Sigismund des Alten, die
tatsächliche Macht in Litauen und gebot Einhalt bei den Verfolgungen des Luthertums. In
dieser Zeit kehrte M. Maþvydas nach Vilnius zurück, aber hier fand er seine hochgebildeten
Kameraden nicht mehr.
A. Kulvietis und S. Rapolionis betätigten
sich in Königsberg. Die beiden bahnten den Weg für das erste litauische Buch im fremden
Land. Die Herausgabe eines solchen Buches billigte und beförderte auch Herzog Albrecht,
denn ein Teil der Bewohner Ostpreußens sprach litauisch, und sie brauchten, laut der
protestantischen Doktrin, Priester, die litauisch predigen konnten.
Die Idee des litauischen Buches "entstand in der Bewegung
des Humanismus und der Reformation wie der Wille des schöpferischen Fortschritts und der
Erneuerung" (V.Mykolaitis - Putinas). Deshalb sorgte sich Albrecht, den man, gemäß M. Maþvydas, einen "Liebhaber
des neuen Wortes des Glaubens" nennen kann, wie man die litauischen Schriften drucken
und verbreiten kann.
Das litauische Buch schwebte über der Stadt Königsberg. Doch 1545 starben plötzlich
nacheinander S. Rapolionis und A. Kulvietis,
die Vorbereiter des Buches.
Die Arbeit wurde eingestellt, aber das war nicht ihr Ende. Während seines Aufenthalts in
Vilnius wandte sich Fürst Albrecht beim Suchen eines passenden Menschen, der die von A.
Kulvietis und S. Rapolionis begonnene Arbeit abschließen könnte, an den schamaitischen
Adligen J. Bilevièius. Ihm wurde M.Maþvydas empfohlen. Albrecht
wandte sich mit einem am 8. Juni 1546 geschriebenen Brief an Maþvydas: "Sehr verehrter und hochgebildeter, edler, für uns lieber! (...)
Wir fordern freundlich, dass Er möglichst schnell hierher, in unsere Stadt Königsberg,
kommt."
M. Maþvydas fährt sofort nach Königsberg. Am 8. August 1546 wurde er in die
Liste der Studenten der Universität immatrikuliert. "Retrospektiv müssen wir sehen, dass Albrecht M. Maþvydas nicht
nur für die Arbeit als Priester eingeladen hat, sondern auch für die Herausgabe der
lutherischen, litauischen Bücher" (A. Jovaiðas). Für diese Arbeit
bereitete man sich wahrscheinlich schon im voraus in Litauen vor. "Man
kann sagen, dass Maþvydas einiges Material für das erste Buch nach Ostpreußen
mitbrachte" (M. Roèka). Von solcher Annahme zeugt der "Katechismus" selbst, den M. Maþvydas
im Laufe einer sehr kurzen Zeit vorbereitet hatte - weniger als in einem halben Jahr nach
seiner Ankunft. Das erste litauische Buch wurde am 8. Januar 1547 in der
Hans-Weinreich-Druckerei gedruckt. Es sollen 200-300 Exemplare gedruckt worden sein. Der
Umfang des Buches betrug 79 Seiten.
Also schlug vor 450 Jahren die Stunde der Erfüllung der Mission von Martynas Maþvydas.
3.
Dieses Buch unseres, d.h. des Anfangs des litauischen Schrifttums - "KATECHISMUSA prasty þadei, makslas skaitima
raðta yr giesmes dël krikðèianistes bei del berneliu jaunu nauiey suguldytas" -
ist kein einfaches Buch, sondern es besteht aus einigen Teilen. M. Maþvydas ist Autor
nicht aller Teile. Für die Vorbereitung des Buches hat er sich einiger Werke von Autoren
anderer Völker bedient, sowie dessen, was schon von seinen Vorgänger gemacht war. Wohl
deswegen steht sein Name nicht im Titelblatt.
Das Buch beginnt mit der elegischen Widmung in Versen in litauischer Sprache "An das
Großfürstentum Litauen":
Lietuva mano garsi, kunigaikðèiø laiminga Tëvyne,
Dievo ásakymus ðiuos vykdyki siela skaisèia,
Kad neprislëgtø Tavæs atsiskaitymo valandà rûsèià
Pyktis Teisëjo garbaus, sëdinèio soste aukðtam.Litauen mein, berühmte glückliche Heimat der Fürsten,
Erfülle diese Gebote Gottes mit der hellen Seele,
Damit Dich in der grausamen Stunde der Abrechnung
Der Zorn des ehrenhaften Richters nicht bedrückte.
M. Maþvydas wendet sich mit den ersten Worten an Litauen wie an ein lebendiges Wesen. "Hier wird der Wunsch geäußert, dass auch "ein berühmtes Litauen" ("Lituania clara") Angst vor dem grausamen Jüngsten Gericht hatte und ebenso den Protestantismus angenommen hatte." (M. Roèka). Die Worte der Widmung sprechen davon, dass das Buch nicht dem Herzogtum Preußen gewidmet ist, wohin M. Maþvydas ging und Unterkunft fand, sondern seiner echten Heimat – Litauen.
4.
In folgendem Blatt des Buches finden wir eine lateinische Vorrede
eingefügt "Pastoribus et ministris ecclesiarum in Lituania gratiam et pacem"
("Den Seelenhirten und Dienern der Kirchen in Litauen Gnade und Ruhe"). Wer sie
geschrieben hat, ist nicht vermerkt. Man nimmt an, dass der Autor der Vorrede der Rektor
der Universität Königsberg, F.Stafil, war. "Aber darin
spricht man im Namen Maþvydas, die litauische Sprache wird als eigene gehalten, deshalb
konnte Stafil, dessen Pflicht die Sorge für die Herausgabe der Bücher war, die Vorrede
nur nachprüfen und gutheißen, also nicht unbedingt selbst sie geschrieben haben" (Z. Zinkevièius).
"Manche begrenzen zu streng das Besitzen der Heiligen Schrift, - verkündet
die Vorrede, - indem sie sie nur der Gemeinschaft der Priester zusprechen und dem
Volk nicht. Sie schreien von der Beschmutzung der Heiligkeiten und von der Schändung der
Geheimnisse und dass es die Tür breit geöffnet wäre für die öffentlichen und
häuslichen Uneinigkeiten, wenn sie dem gemeinen Volk zugänglich würde. Deshalb hüten
sie wachsam, dass kein Mensch, der seine Muttersprache spricht, dieses Heiligtum der
Apostel und der Propheten betritt. Doch diese Ungerechtigkeit ist unausstehlich. Sagen
Sie, könnte etwas ungerechter sein, als das Volk von den zu allen gehörenden
Heiligtümern zurückzudrängen, wovon kein Mensch zurückgedrängt sein kann, ohne
den Verlust für seine Seele und ewiges Leben zu erleiden (...) Deshalb lassen Sie, o
Adlige, die Gemeinen zu diesen Heiligtümern zu, die ihnen gehören und die zweifellos
gemeinsam für Euch und für sie sind ..."
Weiter wird mit großem Herzeleid festgestellt: "...wie kulturlos und
ungebildet im Vergleich mit anderen Völkern unser Volk ist, das keine Frömmigkeit und
christliche Religion kennt, wie wenig man solche finden kann, die ... wenigstens das erste
Wort des Gebetes des Allmächtigen auszusprechen imstande wären. Damit noch nicht genug -
und das ist noch schrecklicher zu hören -, viele pflegen noch heute vor allen Leuten die
heidnischen Rieten und bekennen sich öffentlich zum Heidentum. Die eine bekennen sich zu
Bäumen und Flüssen, andere zur Natter, andere verehren noch anderes und verherrlichen es
als Götter".
Die Vorrede wird mit folgenden Worten abgeschlossen: "Für Euch, verehrte
Seelenhirten und Lehrer, legen wir diesen Katechismus vor, unausgeschmückt und kurz, dazu
in unserer Sprache, mit dem Entschluss, mit Hilfe Gottes bald Ihnen eine größere und
bessere Arbeit zu geben, wenn nur ich Euer Wohlwollen mir gegenüber wegen dieses
Büchleins empfangen werde.
Seien Sie gesund"
Die Vorrede spricht davon, dass folgerichtig die religiöse Arbeit zur
Bildung der Litauer beginnt. Mit den verkündeten Gedanken ist die lateinische
Vorrede nah der litauischen Vorrede in Versen.
Wir schlagen das Buch weiter auf.
5.
"Knigieles paèias byla letuvinikump ir
þemaièiump", d.h. "Die Büchlein (dieses Buch) sprechen selbst zu
Lietuvininkai und Schamaiten [Niederlitauer]". Das sind die ersten litauischen Worte
vom Berge des Buches, für seine Brüder und Schwester verkündet, die auf diesen
Ausspruch seit Anfang der Welt gewartet und endlich erlebt haben. Es erklang das
litauische Wort:
Broliai seserys, imkit mane ir skaitykit
Ir tatai skaitydami permanykit:
Mokslo ðito tëvai jûsø trokðdavo turëti,
Ale to negalëjo në vienu bûdu gauti.Regëti to norëjo savo akimis,
Taip ir iðgirsti savo ausimis.
Jau nû(nai) ko tëvai niekada neregëjo,
Nû(nai) ðitai visa jûsump atëjo.Veizdëkit ir dabokite, þmonës visi,
Sitai eina jusump þodis dangaus karalystës.
Maloniai ir su dþiaugsmu tà þodá priimkit,
A jûsø ûkiuose ðeimyna mokinkit.Sûnûs, dukterys jûsø turi tatai mokëti,
Visa ðirdim turi tà Dievo þodá mylëti.
Jei, broliai seserys, tuos þodþius nepapeiksit,
Dievà Tëvà ir Sûnø sau mylu padarysit.Ir paðlovinti po akimis Dievo bûsit.
Visuose daiktuose palaimà turësit.
Situo mokslu Dievà tikrai paþinsit
Ir dangaus karalystën prisiartinsit..
“Knygelës paèios bylo ...”
In Ausführung von Schauspieler Algirdas LATËNAS.
ein 1-Minuten-36-Sekunden-Auszug
Diese Zeilen lüften das Geheimnis des Autors des "Katechismus". Wie 1938 der polnische Sprachwissenschaftler J. Safarewicz entdeckte, gibt es in der litauischen Vorrede in Versen ein Akrostichon (Akrostichon wird solche Form des Literaturwerkes genannt, bei der die Anfangsbuchstaben der Verszeilen von oben nach unten ein Wort oder eine Redewendung ergeben), das den Vornamen und Nachnamen des Martynas Maþvydas verewigt. Beim Lesen der ersten Buchstaben in Verszeilen der Vorrede von der dritten bis neunzehnten Zeile bekommt man in lateinischer Form: MARTJNVS MASVJDJVS – Martinus Masvidius.
Die 112 Zeilen der Vorrede sind das Herz des Buches. Zum ersten Mal beginnt das
litauische Wort zu schlagen, zu pulsieren. Es teilt lebendig der Welt mit: "Ich bin
gekommen. Ich bestehe!" Es spricht davon, dass der alte Wunsch der Litauer, ein
eigenes Buch zu haben, sich erfüllte.
In der Vorrede wird gesagt, dass das Buch den litauischen und schamaitischen Menschen
zeigen wird, wie man die echte Religion kennenlernen muss, deren Name Luthertum ist. Das
ist der wichtigste Gedanke. Deshalb müssen sich die Litauer nie von diesem Buch trennen,
es Tag und Nacht bei sich haben, ihre Söhne, Töchter und die Familie daraus lehren.
V. Kavolis sieht in der litauischen Vorrede noch tiefere Schichten. "Am
Anfang der litauischen schriftlichen Literatur", schrieb er, "finden wir die
lineare Erfassung der Zeit: die Geschichte ist der Verlauf des Fortschritts - vom alten
Bösen zum neuen Guten. (...)
Jei kursai mane nuog savæs atmes
Tasai në vieno paþytko (naudos) manip negaus.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kursai nenorëtø to mokslo þinoti ir mokëti,
Tasai amþinose tamsybëse turi bûti.
Falls jemand mich von sich zurückwirft
Der keinen Nutzen aus mir bekommt.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wer diese Lehre nicht wissen und kennen wollte,
Der soll in ewiger Finsternis sein.
Die Geschichte ist Sakralgeschichte, ihre Richtung ist im Voraus bestimmt, und die
Menschen werden veranlasst, ihre Agenzien zu sein, indem man ihnen persönlichen Lohn oder
Strafe verspricht. So sakral verengt, utilitarisch motiviert wirkt die Geschichte -
Geschichte des Fortschritts, doch nicht der Freiheit - auf das Bewusstsein der Litauer.
Das ist der Anfang ihrer kulturellen Erneuerung".
An dieser Stelle endet der in seinem Inhalt originale Teil des "Katechismus".
Weiter folgen Nachahmungen und Übersetzungen:
Wir schlagen die nächste Seite des Buches auf.
6.
Nachdem wir sie aufgeschlagen haben, finden wir eine nicht sehr große, aus vier Seiten
bestehende Fibel unter dem Titel "Billige und kurze Lehre zu lesen und zu
schreiben".
Wie der norwegische Sprachwissenschaftler Ch. Stang festgestellt hatte,
wurde dieser Teil des Buches gedruckt unter Benutzung des lateinischen kleinen Katechismus
(1529) von G. Sauroman, der für die Schulen bestimmt war.
Hier wird zum ersten Mal das Alphabet vorgelegt, das dem Ausdruck der Laute der
litauischen Sprache angepasst ist. Es gibt 23 große und 25 kleine Buchstaben. Die
Buchstaben werden gegliedert in die balsinës - Vokale, dvibalsinës -
Zwielaute und sàbalsinës - Konsonanten. Das sind die ersten litauischen
grammatischen Fachausdrücke.
Zu lesen wird man gelehrt in silabisierender Weise, d.h. Aussprechen der Laute in Silben:
![]() |
Ba be bi bo bu. Ca ce ci co cu. Da de di do du. |
Am Ende der Übungen gibt M. Maþvydas zwei Ratschläge. Einen für die Lehrer: "Der weise Lehrer möge den Jungen mit der Silabisatur nicht mehr beschweren, doch zu lesen solle er ihn eher lehren". Den zweiten, in Versen für die Schüler:
Söhnchen, lernt eher, faulenzt nicht
Mit Faulenzerei vergeudet Schatz der Eltern nicht.
7.
Den mittleren Teil des Buches nimmt der Katechismus selbst ein. Es ist ein
Anfangsunterricht des Glaubens, worin kurz die religiösen, sittlichen und sozialen
Belehrungen dargelegt werden. Diesen religiösen, 23 Seiten umfassenden Teil widmet M.
Maþvydas "dem gemeinen Menschen und am meisten den Söhnen und der Familie der
Ackerbauern".
Die Grundlage des Katechismus bildet der 1545 in Königsberg herausgegebene polnische
Katechismus von J. Seklucjan. Außerdem benutzte M. Maþvydas auch den polnischen
Katechismus (1546) von J. Malecki, und die "Verpflichtungen" sind aus dem
lateinischen Katechismus (1542) von J. Vilickas übersetzt.
In diesem Teil des Buches sind (wie man in allen Katechismen fordert) die Gebete und die
wichtigsten christlichen Gebote "ausgelegt": "verehre deinen Vater und
Mutter", "töte nicht", "stehle nicht", "lege rechtswidriges
Zeugnis nicht ab...", "Die Männer sollen ihre Frauen lieben, wie ihren eigenen
Leib", Väter führt eure Söhne zu Zorn und Rache nicht", "Ihr Herren gebt
den Dienern Wahrheit und Güte zu", "alte Männer sollen sich nicht
betrinken" u.ä.
Am Ende des katechetischen Teils ist ein Vers "An den Leser" hinzugefügt:
Brolau mielasis, skaitydamas tatai þinosi,
Jog tasai lieþuvis dabar reiðkiasi.
Todrin (todël), jei rasi koká paklydimà,
Pataisyk be visokio uþvydëjimo.Lieber Freund, beim Lesen dies wirst du wissen,
Dass diese Zunge sich jetzt äußert.
Deshalb, wenn ein Irrtum gefunden würde,
Verbessere ohne jegliche Neid.
8.
Das erste litauische Buch endet mit Gesängen. Im letzten Teil sind "Heilige
Gesänge... für die kleinen Jungen mit der alten Note" eingelegt. Hier gibt es
11 Gesänge mit Noten. Die Gesänge heben den "Katechismus" von M.Maþvydas von
den anderen Katechismen jener Zeit ab, die meistens ohne Gesänge herausgegeben wurden
Der 1525 erschienene Kleine Katechismus (Lesebuch) von M. Luther,
worin 25 Lieder (18 davon sind von ihm selbst geschaffen) enthalten sind, hat einen neuen
Raum für die Sakralmusik eröffnet, weil darin starke Wogen der Volksmelodien
erscheinen". "Die kirchlichen Gesänge wurden zusammen
mit Bekenntnissen des Glaubens (Confessio fidei) in den Zeiten der Reformation zum
beliebtesten Mittel für den Ausdruck des Glaubens. Man kam dazu, nicht nur das Dogma
aufzusagen, sondern auch menschliche Verhältnisse damit auszudrücken" (D.
Pociûtë).
Der Gesang ist der wesentliche Teil des protestantischen Gottesdienstes. Deshalb ist es
verständlich, warum M. Maþvydas den größten Teil des Buches, 40 Seiten, den Gesängen
gewidmet hat. (M. Maþvydas hat auch später die größte Aufmerksamkeit dem Sammeln der
Lieder geschenkt. Nach der Absolvierung der Universität Königsberg wurde er nach Ragnit
als Priester entsandt. Dort hat er die "Christlichen
Gesänge" vorbereitet, die nach seinem Tod von B.Vilentas herausgegeben wurden: der erste Teil 1566 und der zweite Teil 1570.
Das ist das größte litauische Gesangbuch des 16. Jhs. Es enthält 16 Gesänge und 30
Psalmen.) Die wichtigste Quelle der Übersetzungen der Lieder des "Katechismus"
war das Gesangbuch (1547) vom schon erwähnten polnischen Lutheranen J. Seklucjan. M.
Maþvydas schaffte es in demselben Jahr, nur einige Monate
früher sein Gesangbuch erscheinen zu lassen und darin 6 Gesänge und 2 Psalmen in
einer Übersetzung vorzulegen. Folgende drei Gesänge sind aus der deutschen Sprache
übersetzt, folglich nicht von Maþvydas selbst, weil er in dieser Zeit Deutsch noch nicht
kannte. "Die neu zusammengestellte Litanei" hat er wahrscheinlich aus J.
Zablockis bekommen, je ein paar Gesänge haben S. Rapolionis und
A. Kulvietis übersetzt, vielleicht auch A. Jomantas.
Der "Katechismus" enthält den "Gesang vom Sakrament" von M. Luther.
Maþvydas gab ihm die Melodie des berühmten tschechischen Gesanges, der Kampfhymne.
Das letzte Gesang des Katechismus ist eine der schönsten Abendhymnen de tempore des
frühen Mittelalters:
Kristau, diena esi ir ðviesybë,
Nakties nudengi tamsybæ,
Ðviesybës ðviesumas esi,
Ðviesybæ ðventà apreiðki.Praðom, Ðventasis mûsø Vieðpatie,
Saugok mus ðità naktá,
Testa (tebûnie) mums tavyje atilsis,
Predok pakajø ðios nakties...
"Christau, Dena esi ir ðvesibe" (Christe Qui Lux es et Dies)
ein 41-Sekunden-Auszug
(Gesang aus dem "Katechismus" von M.Maþvydas in der Ausführung von Danielius Sadauskas.
Orgelspieler Gediminas Kviklys. Bearbeitung von Komponistin K.Vasiliauskaitë)
Beim Schließen der letzten Seite des Buches verhallt Echo der Gesänge in der Morgendämmerung unseres Schrifttums. Der "Katechismus" von M. Maþvydas ist der leuchtende Schimmer in der Dunkelheit.
9.
Es sind zwei Exemplare des ersten litauischen Buches erhalten geblieben. Das eine in der Universität Torun, das zweite in der Universität Vilnius.
ÄSTE
Der von M. Maþvydas dargestellte Baum des litauischen Wortes hat sich mit der Zeit
verästelt und verblättert und trieb immer neue Zweige.
Er steht im Feld der Anfänge. Zuallererst ist hier Anfang der
Literatur- und Schriftsprache.
"Der "Katechismus" von Maþvydas ist das erste
Ansprache an die Litauer in der Muttersprache, der erste Schritt unseres Schrifttums und
insgesamt auch eine Zuerkennung der Rechte einer Schriftsprache an die litauische Sprache.
In diesem Buch stecken die Keime der Normen unserer Rechtschreibung und Literatursprache
sowie ihrer Kodifizierung. (...) Nach dem Erscheinen des "Katechismus" von
Maþvydas wurde das gedruckte Wort zum Hauptverkünder des Schaffens des litauischen
Volkes. (...)
Die Bedeutung der von Maþvydas geleisteten Arbeit ist in der Geschichte des Schaffens der
litauischen Schriftsprache sehr groß. Sie stellt nicht nur den Anfang unserer
Schriftsprache dar, sondern sie bezeugt auch, wie Maþvydas allmählich von der
angeborenen Schamaitischen Mundart zum in Preußen gebrauchten Dialekt der westlichen
Aukschtaiten [Hochlitauer] überging. Fast für Viertel jenes Jahrhunderts (1547-1570)
waren die Schriften von Maþvydas die einzigen. Erst danach erscheinen Werke anderer
Autoren." (Z. Zinkevièius).
Die litauische Vorrede des "Katechismus" ist der Anfang
der Poesie; auch die Anfänge der Versbildung.
"Es war geplant, die Vorrede in der Form der
Personifikation zu schreiben. Mit dem Leser sollte nicht Maþvydas, sondern das Büchlein
sprechen: "Die Büchlein sprechen selbst" (...) Schon der
Entschluss, selbst die Vorrede in Versen zu schreiben, zeigt, dass Maþvydas auch
poetische Ansprüche gehabt hat. (...) V. Mykolaitis-Putinas schrieb, dass die Vorrede in
einer sehr freien silbischen, d.h. syllabischen Versbildung gereimt ist... Doch wie die
Forschungen von J. Girdzijauskas gezeigt haben, hat sich Maþvydas an die Regel der zu
jener Zeit nicht selten vorkommenden syntaktisch - intonatorischen Versbildung gehalten.
Diese Versbildung ist charakteristisch für die polnische Poesie des Mittelalters. Die
Vorrede von Maþvydas ist das einzige deutliche Beispiel dieser Versbildung in der
litauischen Literatur. (...)
Hier finden wir auch die erste litauische Satzperiode: einen langen Satz mit der
wechselnder Intonation, der aus einem steigenden und einem fallenden Teil gebildet ist.
Maþvydas beginnt in einem litauischen Werk, d.h. in der Gebrauchsweise der litauischen
Sprache, die Traditionen der europäischen Kultur zu synthetisieren und zu verbinden. Sein
erster Versuch, das litauische Wort europäisch zu machen, war erfolgreich." (A.
Jovaiðas).
Der "Katechismus" ist der Anfang der Übersetzung.
"In den von Maþvydas vorbereiteten Büchern
finden wir meistens Übersetzungen (...)
Schon seit Anfang unseres Schrifttums beginnen die abstrakten nominalen Redewendungen
anstelle der konkreten verbalen Redewendungen zu überhand zu nehmen. In den meisten
Fällen ist es unvermeidlich, wenn man den abstrakten Inhalt ausdrücken will (...) Man
kann voraussehen, welche Schwierigkeiten Maþvydas überwinden sollte, als er die
schwierigen Texte der Bibel übersetzt hat, mit den zahlreichen abstrakten Begriffen
und mit den verwickelten Sätzen (...)
Beim Kämpfen mit den Grenzen der Form und, ohne sich vom Original entfernen zu wollen,
haben unsere ersten Übersetzer nur den Sinn wiedergegeben, indem sie die Hauptbegriffe
die wichtigsten Wörter des Satzes benutzten, ohne sich einwandfreier und bildlicher
zu äußern, ohne alles bedacht zu haben oder fähig dazu zu sein. Die Übersetzungen sind
viel besser und einwandfreier an den Stellen gelungen, wo der Übersetzer sich um die
Gedichtform nicht kümmern sollte, nämlich bei der Übersetzung der Psalmen..." (V.
Mykolaitis – Putinas).
Die im "Katechismus" eingefügte "Billige und kurze Lehre zu lesen und
zu schreiben" ist die erste litauische Fibel.
"Der "Katechismus" von Maþvydas war das erste,
hauptsächliche vom mittelalterlichen Geist und von der Reformation beeinflusste,
geschriebene Buch für jeden Christen. Davon zeugt deutlich die Tatsache, dass Maþvydas
die in derselben Zeit in Deutschland und in Preußen weit verbreiteten Forderungen der
Reformation erfüllte. Maþvydas musste beim Verfassen des ersten litauischen Buches als
erster die Buchstaben wählen und der litauischen Sprache anpassen." (J.
Lauþikas).
"Seit dieser Fibel beginnt die Geschichte der litauischen
Schule" (A. Jovaiðas).
Das Gesangbüchlein des "Katechismus" ist der Anfang
der Sakralmusik.
Die am Ende des Buches eingefügten Gesänge mit Noten sind ein wichtiger Punkt in der
Geschichte der litauischen musikalischen Kultur. Auf diesem Gebiet begann M. Maþvydas
sich noch in Litauen stark zu beschäftigen. Die Traditionen des protestantischen Gesanges
hat er auch nach Kleinlitauen übertragen. Die Gesänge waren eng mit dem Leben der
einfachen Menschen verbunden. "Er hat die berühmtesten und
besten Gesänge der Reformatoren angepasst, ausgewählt und sie in Groß- und Kleinlitauen
verbreitet. Die Mitte des 16. Jhs. von M. Maþvydas begonnene kulturelle Tätigkeit ist
die bedeutungsvolle Tatsache des litauischen musikalischen Lebens" (J. Trilupaitienë).
Die von ihm begonnene Arbeit formierte und festigte die Tradition des kollektiven
Gesanges.
.
Der "Katechismus" von M. Maþvydas ist der Anfang der Buchkunst.
"Als man in Litauen Bücher drucken wollte, hatte es keine
eigenen tieferen Traditionen der Buchgestaltung gegeben, deshalb konnte man sie in Litauen
nicht finden. Es gab noch eine Reihe von Ursachen, warum die ersten gedruckten litauischen
Bücher in der Gestaltung nichts eigentümlich Litauisches hatten und in künstlerischer
Hinsicht sehr bescheiden waren (...)
Deshalb sind die Bücher von Maþvydas mit der Gestaltung zur Welt gekommen , die ihnen
die Buchdrucker Königsbergs zu verleihen vermochten (...)
Das litauische Buch wurde geboren nicht als das geliebte Kind im Obdach der Heimat,
sondern als das Geschöpf der Religionskämpfe und der propagandistischen
Leidenschaften".
Es gab keine Auswahl, man musste auf leerem Feld beginnen. Und der erste
Schritt wurde gemacht. "Die Bücher des 17. Jhs. begannen,
eigenartigere Züge zu bekommen und die preußische Provinzialität der ersten litauischen
Bücher zu vergessen." (P. Galaunë).
Der größte Trieb, den die Eiche des Maþvydas gehabt hat, ist der gediehene Ast
der litauischen Literatur. Beim Blick darauf sehen wir zuallererst dessen drei
größte Pfleger.
Der erste: Jonas Bretkûnas (1536 – 1602). J.
Bretkûnas war ein hartnäckiger Kämpfer für die litauischen Schriften in Kleinlitauen. "Soviel wie er hat kein anderer Schöpfer der litauischen
Literatur im 16. Jh. geschrieben. Es sind bekannt seine fünf litauischen religiösen
Bücher. Das wichtigste davon ist die große, ca. 1000 Seiten umfassende "Postille" , die 1591 in Königsberg erschien. Das ist
die erste gedruckte Sammlung der litauischen Predigten solcherart." (A.
Jovaiðas).
J. Bretkûnas hat für das "liebe Litauen" erklärt:
"Diese Predigt merke auch du dir gut, mein liebes Litauen!
(...) Alles, was ihr bis jetzt gelernt habt, kam aus der lateinischen, polnischen oder
deutschen Zunge über die Übersetzer in der Kirche (...) Bittet Gott, damit er euch
solche Pfarrer zu geben so gnädig sei, die in eurer angeborenen Zunge euch die heiligen
Bücher des Alten und Neuen Testaments aufschreiben würden, und damit Gott denen helfe,
die diese Bücher auf Litauisch aufzuschreiben geholfen haben..."
Die "Postille" ist das erste Druckwerk der litauischen Prosa solchen
Genres (Predigten). "Da die "Postille" dem Volk
bestimmt war, hat sich Bretkûnas bemüht, es mit einfachen Worten und Redewendungen
anzusprechen und mit den deutlichen volkstümlichen stilistischen Mitteln zu handeln (...)
Bretkûnas hat nicht nur den damaligen Stil der litauischen Prosa bereichert, sondern auch
die gesamte Entwicklung der sich formierenden litauischen Literatursprache in die
richtige, volkstümliche Richtung gelenkt." (J. Palionis).
Die größte Arbeit von J. Bretkûnas, die Übersetzung der
gesamten Bibel in die litauische Sprache, wurde nicht herausgegeben.
Der zweite: Mikalojus Daukða (zwischen 1527-1538 -
1613).
"Er war Aufklärer, Verkünder der fortschrittlichen
humanistischen Ideen, der größte Kämpfer für die Rechte der Muttersprache im 16. Jh.,
ebenso einer der ersten Schöpfer der Literatursprache, der das bedeutungsvollste
Schriftdenkmal der alten litauischen Sprache hinterlassen hat und die Grundlagen für das
Schrifttum im Großfürstentum Litauen geschaffen hat." (J. Lebedys).
Ende des 16. Jhs. begriff auch die litauische katholische Kirche endlich die Wichtigkeit
der litauischen Schriften. Große Bedeutung hatte die 1579 in Vilnius gegründete
Universität für das Wachstum der litauischen Kultur gehabt.
M. Daukða hat das litauische Buch zu sich nach Großlitauen gebracht.
Aus seiner Feder stammen zwei sehr wichtige Ausgaben. Der in Vilnius
1595 herausgegebene Katechismus (sein Autor ist der Spanier J. Ledesma, den M.
Daukða aus der polnischen Sprache übersetzt hat). Doch literarischen Ruhm
besitzt sein anderes Werk, die "Postille", 1599 in der
Druckerei der Universität Vilnius herausgegeben, eine Übersetzung aus dem Polnischen
(Autor J.Vujek) in die litauische Sprache.
"Die Vorrede an den lieben Leser" der
"Postille" ist ein sehr bedeutungsvolles Denkmal unserer Kultur:
"Nicht von der Fruchtbarkeit des Bodens, nicht durch die
Unterschiede in Trachten, nicht durch die Schönheit des Landes, nicht durch die
Uneinnehmbarkeit der Städte und Burgen leben die Völker, sondern durch die Bewahrung und
Verwendung der eigenen Sprache, die die Gemeinsamkeit, die Eintracht und die brüderliche
Liebe erhält und beschützt. Die Sprache ist das gemeinsame Band der Liebe, Mutter der
Einheit, Vater der staatlichen Bürgerlichkeit, Wächter des Staates. Wird sie
vernichtet, so werden Friede, Eintracht und das Wohl des Staates vernichtet. Wird sie
vernichtet, so wird die Sonne im Himmel verdunkelt, die Ordnung der Welt verwirrt, die Ehre und das Leben weggenommen."
Die litauische religiöse Literatur hatte schon einen Weg von 200 Jahren zurückgelegt,
als Mitte des 18. Jhs. in Kleinlitauen wieder ein neuer Stern aufleuchtete: Kristijonas Donelaitis (1714 – 1780), Urheber der
weltlichen litauischen Literatur.
Beim Aussprechen dieses Namens entsteht vor uns das geniale Werk - "DIE
JAHRESZEITEN". Es ist unser Buch der Bücher.
Das erste Buch des Alten Testaments beginnt mit den Worten: "Am
Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die ganze Welt. Auf der Erde war es noch wüst und
unheimlich, es war finster, und Wasserfluten bedeckten alles. Über dem Wasser schwebte
der Geist Gottes. Da befahl Gott: "Es werde Licht", und es ward Licht."
"Die Jahreszeiten", das alte Testament unserer Literatur, beginnt
mit den Worten:
Jau saulelë vël atkopdama budino svietà
Ir þiemos ðaltos trûsus pargriaudama juokës.
Ðalèiø pramonës su ledais sugaiðti pagavo,
Ir putodams sniegs visur á niekà pavirto.
Tuo laukus orai drungni gaivindami glostë
Ir þoleles visokias ið numirusiø ðaukë.Schon die Sonne wieder emporsteigend weckte die Welt
Und die Mühen des kalten Winters umstürzend lachte.
Die Gewerbe der Fröste mit allem Eis zu beenden kamen,
und der schäumende Schnee überall zu nichts wurde.
Damit haben die milden Wetter die Felder belebend gestreichelt
und allerlei Kräuter aus dem Tode gerufen.
Der Kreis der Ewigkeit begann sich zu drehen. Bei ihrem Wechsel bringen die
Jahreszeiten die gute Nachricht, die Annäherung des unvermeidlichen Endes, das Vorgefühl
der neuen Auferstehung.
Diese einfachen und magischen Worte sind abgeleitet aus dem Anfang des ersten litauischen
Buches, aus dem "Katechismusa prasty þadei
von M.Maþvydas, der das Licht der Welt 1547 in Königsberg erblickte.
8.
"Wir erinnern uns an Maþvydas", schrieb vor fünfzig Jahren A. Nyka-Niliûnas, "nicht deswegen, dass er uns als der große Schriftsteller imponierte, sondern weil mit ihm vor 400 Jahren einer der berühmtesten Prozesse in der Geschichte unserer Kultur begann, indem er das schwache Korn der ersten Schrift gesät hat, woraus im Laufe der Zeit der gedeihliche Baum unserer Literatur gewachsen ist. Und deshalb scheint uns Maþvydas ... teuer und berührend nahe, wenn wir uns an die Bedingungen und Stimmungen erinnern, in denen die litauische Schrift zur Welt kam. Vor diesem einfachen Menschen, der in den schon archaisch für uns klingenden Wörtern sprach und schrieb, verblassen alle unsere Generäle, die unser Land und unsere Kultur zu beschützen versprochen haben... Maþvydas steigt uns vor Augen jetzt als Volksheld auf, der mit seiner Arbeit das Licht für das Volk gebracht hat und keine Lohn dafür erwartet hat."
Seit diesen, von dem Dichter gesagten Worten sind schon 50 Jahre vergangen. Ist Maþvydas ebenso "berührend nahe"? Wir sprechen sehr viel vom Jubiläum des Buches und haben vergessen, seinen Autor zu ehren. In Vilnius gibt es keine Maþvydas-Straße.
Jau netoli ir Ðventojo Martyno –
Ar pagalvojot Maþvydà pagarbint?
Maitinatës ið jo ðirdies ir delno,
Jo gerumu prisidengët nuogybæ,
Ant jo dosnumo gultà pasidëjot,
O liaupsæ atiduot anam uþmirðot.Es ist schon nah des Heiligen Martinus -
Habt ihr gedacht den Maþvydas zu ehren?
Ernährt von seinem Herz und seiner Hand
Mit seiner Güte habt ihr eure Nacktheit
Bedeckt, auf seiner Freigiebigkeit Lager
Gelegen, und Lob zu geben jenem habt vergessen.
(Aus dem Drama "Maþvydas" von Justinas Marcinkevièius)
Rede des
Dichters Just. Marcinkevièius
ein 1-Minuten-9-Sekunden-Auszug
DIE EICHE DES MAÞVYDAS von Tomas Sakalauskas ist in der Zeitschrift ÐVYTURYS, 1997, Nr. 1, 2 veröffentlicht. Der Autor und der Redakteur der Zeitschrift waren so freundlich, uns die Erlaubnis zu geben, diesen Text im JAHR DES LITAUISCHEN BUCHES zu gebrauchen.
Ilustrationen aus: Zyklus
"Personen aus Kleinlitauen" von E. E.
Labutytë und
Drama in drei Teilen "Maþvydas" von Just.
Marcinkevièius, illustr. von S. Chlebinskas