1547 1997

Motto

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Die eigene Sprache

Wo gibt es, frag ich, ein Volk auf Erden, so schlecht und nichtig, das nicht diese drei eigenen und gleichsam angeborenen Dinge besäße wie das Land seiner Vorfahren, die herkömmlichen Bräuche und die eigene Sprache? Zu allen Zeiten haben die Menschen ihre Muttersprache gesprochen und sich Mühe gegeben, sie zu bewahren, zu bereichern, zu vervollkommnen und zu pflegen. Es gibt kein so nichtiges Volk, keinen so nichtigen Krähwinkel der Erde, wo nicht die eigene Sprache gesprochen würde...

Was wäre es denn für eine Merkwürdigkeit unter den Lebewesen, wenn der Rabe sich einfallen ließe, wie eine Nachtigall zu singen, die Nachtigall wie ein Rabe zu krähen, die Ziege wie ein Löwe zu brüllen oder der Löwe wie eine Ziege zu meckern?

Die Völker leben nicht von der Fruchtbarkeit des Bodens, nicht durch die Unterschiede der Trachten, nicht durch die Schönheit des Landes, nicht durch die Uneinnehmbarkeit der Städte und Burgen, sondern durch die Bewahrung und die Verwendung der eigenen Sprache, die die Gemeinsamkeit, die Eintracht und die brüderliche Liebe erhält und beschützt. Die Sprache ist das gemeinsame Band der Liebe, Mutter der Einheit, Vater der staatlichen Bürgerlichkeit, Wächter des Staates.

Wird die Sprache vernichtet, so werden Friede, Eintracht und das Wohl des Staates vernichtet.

Mikalojus  DAUKÐA

Aus der Vorrede der Postille (1599), eines der ersten litauischen Bücher
Übersetzung von Dr.phil. Leonas PETRAVIÈIUS,
Dozent an der Universität Vilnius

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